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Peter-André Alt

Das fluide Ich

Tränen in Goethes 'Die Leiden des jungen Werthers' (1774) und Jacobis 'Woldemar' (1779)


35 Seiten
Erscheinungsdatum: 07.02.2023

DOI https://doi.org/10.46500/83535275-002

Lizenz CC BY-NC-SA 4.0
Publiziert unter der Lizenz CC BY-NC-SA 4.0

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AUS DEM BAND:
Buchcover: Das fluide Ich
Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft
Internationales Organ für Neuere Deutsche Literatur. 66. Jahrgang 2022

DOI https://doi.org/10.46500/83535275
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Ausgehend von einem kurzen Abriss der zeitgenössischen Untersuchungen zum Tränenfluss in Medizin und Popularphilosophie, analysiert der Beitrag die poetische, im weiteren Sinne psychologische Funktion, die das Weinen im empfindsamen Roman des 18. Jahrhunderts spielt. In Goethes ‚Werther‘ werden die Tränen dem Protagonisten zur Form einer Selbstkonstitution, die ihrerseits als emotionale Regung der sprachlichen Wirklichkeitswahrnehmung folgt. In Jacobis ‚Woldemar‘ wiederum gerät der Tränenfluss zum eigentlichen Medium der Ich-Setzung. In beiden Romanen ist das weinende Ich instabil und anmaßend, schwach und doch omnipotent. Es nimmt damit das romantische Ich vorweg, das sich über Akte der autonomenen Selbstsetzung zum Medium einer hybriden Subjektivität erklärt.


Departing from a brief survey of enlightened studies on medical and anthropological functions of tears, the essay tackles the poetic and psychological aspects in which German novels of the late 18th century are depicting crying heroes and their affective economies. Goethe’s ‘Werther’ is showing a main character whose tears as a form of emotional comment are following the verbal apperception of reality. In Jacobi’s ‘Woldemar’ the stream of tears turns into the major medium of self constitution. The novels characterize an ambiguous ego, both unstable and presumptious, weak and powerful. They prelude the romantic ego and its autonomous constitution by acts of self-imposition as a medium of hybrid subjectivity.


Peter-André Alt

Peter-André Alt, geb. 1960, ist seit 2012 Präsident der Deutschen Schillergesellschaft und seit 2010 Präsident der Freien Universität Berlin. Er ist Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft, seit 2005 an der FU Berlin, zuvor an der Ruhr-Universität Bochum (1995-2002) und an der Universität Würzburg (2002-2005). Zahlreiche Publikationen zur deutschen Literatur des 17. bis 20. Jahrhunderts, zur Poetik und Ästhetik sowie zur Beziehung von Literatur und Wissen. Im Jahr 2005 erhielt er den Marbacher Schiller-Preis für die zweibändige Schiller-Biographie (2. Aufl. 2004).

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